
Für den Abend des 4.5. war seitens der DIG – AG München ein Vortrag von Oliver Vrankovic, dem Leiter der DIG – AG Stuttgart mit dem Titel „Israelische Realitäten nach dem 7. Oktober 2023“ geplant. (s. Ankündigung auf dieser Website) Als der Referent die Vorsitzende der DIG – AG München kurz vorher fragte, ob er Jehuda Cohen, Vater einer noch in Gaza gefangenen Geisel zu dieser Veranstaltung mitbringen und mit ihm nach seinem Vortrag ein Gespräch führen könne, war es für den Vorstand eine Selbstverständlichkeit, diesem Vorschlag zuzustimmen.
Nimrod Cohen, sein Sohn, wurde als gerade einberufener, damals 19-jähriger Soldat im Kampfeinsatz überwältigt und gemeinsam mit seinen Gefährten aus dem Panzer gezerrt. Er musste mit ansehen, wie zwei von ihnen vor seinen Augen ermordet wurden, bevor er selbst nach Gaza verschleppt wurde. Sein Schicksal und das seiner Angehörigen übersteigt jedes Fassungsvermögen.
Jehuda Cohens Forderung nach einer Waffenruhe als seiner Auffassung nach notwendige Voraussetzung für die Befreiung seines Sohnes und aller anderen Geiseln ist daher für uns ebenso naheliegend wie nachvollziehbar. Auch ein der Großteil der Kritik, die er an der Regierung von Ministerpräsident Netanyahu übte, ist in Israel durchaus verbreitet. Dass in Israel Kritik an der Regierung laut und offen artikuliert werden kann, ist Ausweis der Stärke der israelischen Demokratie.
Die DIG – AG München setzt sich auch mit kontroversen Standpunkten auseinander und stellt diese zur Diskussion. Allerdings distanzieren wir uns von einigen Aussagen Jehuda Cohens. Zwar sind gegen den regierenden Ministerpräsidenten Anzeigen wegen Korruption und versuchter politischer Einflussnahme erhoben wurden, doch unterstützen wir, solange kein Urteil gesprochen ist, Cohens pauschale Aussage, Netanyahu sei ein Krimineller, nicht.
Erst recht machen wir uns sein Plädoyer für eine Verhaftung Netanyahus durch den Internationalen Strafgerichtshof in Deutschland oder, wie ihn der Münchner Merkur und die TZ zitierten, „meinetwegen auch in […] Katar“ ausdrücklich nicht zu eigen. Vielmehr verurteilen wir die Anklage Netanyahus durch den IStGH, da dieser den demokratisch gewählten Amtsinhaber eines funktionierenden Rechtsstaats auf dieselbe Stufe stellt wie die schwerstkriminellen Anführer der Terrorgruppe Hamas mit genozidaler Agenda, also mit Yahya Sinwar den verantwortlichen Planer der Massaker des 7. Oktober 2023 sowie mit den Hamas-Funktionären Mohammed Deif und Ismail Haniyya.
Zudem ist eine Zuständigkeit des IStGH nur dann gegeben, wenn eine nationale Strafverfolgung nicht möglich oder nicht gewollt ist. Israel hat jedoch seine Fähigkeit, im Fall von Anzeigen gegen Regierungsvertreter zu ermitteln und deren Vergehen zu ahnden, mehrfach unter Beweis gestellt.
Da Sinwar und Deif zum Zeitpunkt der Stattgabe der Anklageerhebung am 21.11.2024 bereits ums Leben gekommen waren, wurde mit der Anklage faktisch in erster Linie das ursprünglich überfallene Land Israel auf die Anklagebank gestellt, was wir als Versuch einer inakzeptablen Dämonisierung, Diskreditierung und Isolierung des einzigen jüdischen Staats ablehnen. Weder verfügt der Staat Katar, der die Führer der Terrororganisation Hamas beheimatete und durch jahrelange finanzielle Unterstützung aufbaute, über eine Legitimation für einen solchen Schritt noch Deutschland, das Land, das verantwortlich ist für das Menschheitsverbrechen der Shoah. Eine Verhaftung des demokratisch gewählten Vertreters des einzigen jüdischen Staates durch Deutschland wäre in unseren Augen Ausdruck einer geschichtsvergessenen moralischen Anmaßung und einer Pervertierung juristischer Maßstäbe.